BGH, Urteil vom 6. Juli 2005 - VIII ZR 322/04 -

Ein Mieterhöhungsverlangen nach § 558 BGB ist nicht deshalb unwirksam, weil sich die Ausgangsmiete innerhalb der Bandbreite der vom gerichtlichen Sachverständigen festgestellten örtlichen Vergleichsmiete befindet. 

Die Beklagten mieteten mit Vertrag vom 1. Juli 2000 eine Wohnung der Klägerin in L. , die sie seit 15. August 2000 bewohnten. Die Miete für die 78 m2 große Wohnung betrug 460,16 € (5,90 €/m2).

Die Klägerin forderte die Beklagten unter Hinweis auf den Mietspiegel der Stadt L. mit Schreiben vom 28. September 2002 und einem weiteren Schreiben vom 4. November 2002 auf, einer Erhöhung der Kaltmiete mit Wirkung ab 1. Januar 2003 auf 485 € (6,22 €/m2) zuzustimmen. Da die Beklagten das Mieterhöhungsbegehren ablehnten, hat die Klägerin Klage auf Zustimmung zu der verlangten Mieterhöhung erhoben. Das Amtsgericht hat ein Gutachten eines Sachverständigen eingeholt; dieser hat für die örtliche Vergleichsmiete eine Bandbreite von 5,75 € bis 6,23 €/m2 ermittelt.

1. Das Berufungsurteil wird den prozessualen Mindestanforderungen des § 540 ZPO noch gerecht, auch wenn es die Anträge der Parteien, die diese im Berufungsverfahren gestellt haben, nicht wiedergibt (vgl. BGHZ 154, 99 f.). Da das Berufungsurteil keine neuen Prozeßerklärungen der Parteien enthält und die Klage unter Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils abgewiesen worden ist, wird hinreichend deutlich, daß die Beklagten das Urteil der Vorinstanz in vollem Umfang angefochten haben, während die Klägerin durch einen Antrag auf Zurückweisung der Berufung dessen Aufrechterhaltung erstrebt hat.

2. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch aus § 558 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Zustimmung zu einer Mieterhöhung auf den Betrag von 485 €, umgerechnet 6,22 €/m2, verneint.

a) Dabei ist es zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass auf die von der Klägerin erklärte Mieterhöhung, wie sich aus Art. 229 § 3 Ziff. 2 EGBGB ergibt, die Vorschriften der §§ 558 ff. BGB anzuwenden sind, weil das Mieterhöhungsverlangen nach dem 1. September 2001 gestellt wurde.

b) Das Mieterhöhungsverlangen der Klägerin in Verbindung mit ihrem Schreiben vom 4. November 2002 ist ausreichend erklärt und begründet worden, mithin im Sinne des § 558 a Abs. 2 Nr. 1 BGB formell wirksam.

c) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sind die Voraussetzungen des § 558 Abs. 1 Satz 1 BGB hier erfüllt. Danach kann der Vermieter die Zustimmung des Mieters zu einer Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen, wenn die Miete in dem Zeitpunkt, zu dem die Erhöhung eintreten soll, seit 15 Monaten unverändert ist. Nach § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB wird die ortsübliche Vergleichsmiete aus dem üblichen Entgelt für vergleichbaren Wohnraum gebildet. Wie der Senat ausgeführt hat, handelt es sich bei der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht um einen punktgenauen Wert, die Vergleichsmiete bewegt sich vielmehr innerhalb einer bestimmten Spanne (Urteil vom 20. April 2005 - VIII ZR 110/04, WuM 2005, 394, unter II 2 b). Indes erfordert die Feststellung, ob die verlangte Miete innerhalb dieser Spanne liegt oder die ortsübliche Miete übersteigt, im Prozeß eine konkrete Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete im Sinne einer Einzelvergleichsmiete (Senat aaO). Dies wird - soweit kein qualifizierter Mietspiegel nach § 558 d BGB vorhanden ist - in der Regel durch Sachverständigengutachten festgestellt werden können. Maßstab für die Berechtigung des Mieterhöhungsverlangens ist dann die vom Sachverständigen ermittelte Bandbreite der konkreten ortsüblichen Vergleichsmiete innerhalb der Mietspiegelspanne.

d) Soweit das Berufungsgericht angenommen hat, ein wirksames Mieterhöhungsverlangen nach § 558 Abs. 1 Satz 1 BGB setze zusätzlich voraus, daß die bisher gezahlte Miete nicht - wie hier - innerhalb der Spanne der ortsüblichen Vergleichsmiete, sondern darunter liege, ist dies nicht richtig. Allerdings wird die Auffassung vertreten, ein Mieterhöhungsverlangen sei unberechtigt, wenn sich bereits die Höhe der Ausgangsmiete im Rahmen der ortsüblichen Vergleichsmiete hält (Staudinger/Emmerich, BGB (2003), § 558 Rdnr. 4, 16). Dies trifft nicht zu (so auch Gelhaar, MDR 1981, 446 ff.; Barthelmess, Wohnraumkündigungsschutzgesetz-Miethöhegesetz, 5. Aufl., § 2 MHG Rdnr. 60; vgl. auch Senat, Urteil vom 12. November 2003 - VIII ZR 250/03 = NJW 2004, 1379).

(1) Die Ansicht des Berufungsgerichts findet schon im Wortlaut des § 558 BGB keine Stütze. Nach § 558 Abs. 1 Satz 1 BGB ist lediglich die verlangte Miete der Höhe nach durch die ortsübliche Vergleichsmiete begrenzt, zur Höhe der Ausgangsmiete verhält sich die Vorschrift nicht. Gleiches gilt für die Regelungen des § 558 Abs. 3 bis Abs. 5 BGB und - zur formellen Wirksamkeit eines Erhöhungsverlangens - des § 558 a Abs. 4 BGB, die ebenfalls nur die Höhe des verlangten Mehrbetrags betreffen.

(2) Das gefundene Ergebnis entspricht auch den Interessen der Vertragsparteien. Ein Vermieter hat die Möglichkeit, die Zustimmung zu einer Mieterhöhung berechtigterweise schon dann zu verlangen, wenn die Bandbreite der konkreten ortsüblichen Vergleichsmiete eine höhere Miete zuläßt. Müßte der Vermieter dagegen zuwarten, bis aufgrund einer allgemeinen Steigerung der ortsüblichen Vergleichsmieten die Ausgangsmiete unterhalb der Spanne des Mietspiegels liegt, wäre er gehalten, stets den höchstzulässigen Betrag am oberen Ende der Spanne zu fordern, da ihm eine spätere Erhöhung innerhalb der Spanne verwehrt wäre. Eine derartige Anhebung auf eine wesentlich höhere Miete wird dabei in vielen Fällen an der Kappungsgrenze des § 558 Abs. 3 BGB scheitern, der eine Erhöhung der Miete nach § 558 Abs. 1 BGB auf 20 % innerhalb von drei Jahren begrenzt. Dies kann dazu führen, daß der Vermieter nicht die gesamte nach dem Mietspiegel vorgegebene Spanne zur Begründung seines Mieterhöhungsverlangens ausschöpfen kann, sondern von vornherein auf eine niedrigere Miete beschränkt ist. Auch für den Mieter kann eine jeweils maßvolle Mieterhöhung in angemessenen Zeitabständen vorteilhafter sein als eine Mieterhöhung in beträchtlicher Höhe, selbst wenn diese erst nach längerer Zeit erfolgt. Im ersteren Fall kann sich der Mieter entsprechend dem allgemeinen Anstieg der Lebenshaltungskosten und der Entwicklung der Löhne und Gehälter leichter auf moderatere Mieterhöhungen einstellen (Gelhaar, aaO, S. 447).

3. Damit stehen dem Mieterhöhungsverlangen keine gesetzlichen Hindernisse entgegen. Dies gilt auch für die Höhe der geforderten Miete. Der von der Klägerin verlangte und vom Amtsgericht zugesprochene Betrag von 6,22€/m2 liegt innerhalb der Bandbreite der konkreten ortsüblichen Ver- gleichsmiete, die der Sachverständige festgestellt hat. Hiergegen haben sich die Parteien nicht gewendet.

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