BGH, Urteil vom 21. Januar 2011 - V ZR 140/10

Anfechtungsfrist, 46 Abs. 1 S. 2 WEG, V ZR 140/10, WohnungseigentümergemeinschaftWEG § 46 Abs. 1 Satz 2
Die in § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG geregelte Klagefrist wird auch durch eine innerhalb dieser Frist gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft erhobene Klage gewahrt, sofern die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 WEG erfüllt sind und der Übergang zu einer Klage gegen die übrigen Mitglieder der Wohnungs-eigentümergemeinschaft vor Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgt (Bestätigung von Senat, Urteil vom 6. November 2009 - V ZR 73/09, NJW 2010, 446 ff.; Urteil vom 5. März 2010 - V ZR 62/09, NJW 2010, 2132 f.; Urteil vom 17. September 2010 - V ZR 5/10, NJW 2010, 3376 f.).

Die Kläger sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. In der Eigentümerversammlung vom 23. Oktober 2008 wurden verschiedene Beschlüsse gefasst. Ihre am 20. November 2008 bei Gericht eingegangene, bereits begründete Klage haben die Kläger zunächst gegen die "WEG O. Str. , M. " gerichtet und sich gegen die zu den Tagesordnungspunkten 4 und 5 gefassten „Beschlüsse der Eigentümerversammlung der Beklagten“ gewendet. Eine Liste der Wohnungseigentümer ist nicht beigefügt worden. Noch vor Zustellung der Klageschrift haben die Kläger mit einem am 4. Dezember 2008 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz erklärt, dass die übrigen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft Beklagte seien, und um Berichtigung des Beklagtenrubrums gebeten. Dieser Schriftsatz und die Klageschrift sind den Beklagten zu 1 und 2 am 13. Januar 2009, den Beklagten zu 3 und 4 am 22. Januar 2009 jeweils als "übrige Mitglieder der WEG" und dem Verwalter am 13. Januar 2009 zum Zwecke der Beiladung zugestellt worden.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Klagefrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG nicht gewahrt worden sei. Die Berufung ist erfolglos gewesen. Mit der zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten zu 3 und 4 beantragen, erstreben die Kläger die Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Mit Erfolg!

1. Die Revision ist zulässig. Entgegen der Auffassung der Beklagten genügt die Begründung den Anforderungen des § 551 Abs. 3 Nr. 2 a ZPO. Wird die Sachrüge erhoben, kann eine Bezugnahme auf Entscheidungen ausreichen (Zöller/Heßler, ZPO, 28. Aufl., § 551 Rn. 12). Die Zurückweisung der Berufung hat das Berufungsgericht ausschließlich auf sein von der Rechtsprechung des Senats abweichendes Verständnis von der Klagefrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG gestützt. Die Bezugnahme auf die Entscheidungen des Senats, denen das Berufungsgericht ausdrücklich nicht gefolgt ist, reicht unter diesen Umständen als sachliche Auseinandersetzung mit dem Berufungsurteil aus.

2. In der Sache halten die Ausführungen des Berufungsgerichts revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Im Ausgangspunkt hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler festgestellt, dass keine Anhaltspunkte für eine versehentliche Falschbezeichnung vorlagen und sich die Klage damit zunächst gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft richtete (vgl. Senat, Urteil vom 6. November 2009 - V ZR 73/09, NJW 2010, 446 Rn. 9-11). Allerdings kann dem Berufungsgericht insoweit nicht gefolgt werden, als es den Antrag der Kläger auf Rubrumsberichtigung prozessual als Parteiwechsel wertet. Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist nicht Partei geworden. Denn die zunächst gegen sie gerichtete Klage ist nicht rechtshängig geworden, weil die Kläger noch vor Zustellung der Klage erklärt haben, dass sich die Klage gegen die übrigen Wohnungseigentümer richten solle. Die Zustellung dieses Schriftsatzes und der Klageschrift ist von vorneherein an die Beklagten als übrige Wohnungseigentümer erfolgt.


b) Rechtsfehlerhaft geht das Berufungsgericht davon aus, die Klage sei entgegen § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG nicht innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung erhoben worden. Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, wird die in § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG geregelte Klagefrist auch durch eine innerhalb dieser Frist gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft erhobene Klage gewahrt, sofern die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 WEG erfüllt sind und der Übergang zu einer Klage gegen die übrigen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft vor Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgt (Senat, Urteil vom 6. November 2009 - V ZR 73/09, NJW 2010, 446 ff.; Urteil vom 5. März 2010 - V ZR 62/09, NJW 2010, 2132 f.; Urteil vom 17. September 2010 - V ZR 5/10, NJW 2010, 3376 f.).

aa) Die Fristen zur Erhebung und Begründung der Klage nach § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG sind materiell-rechtliche Ausschlussfristen und keine besonderen Sachurteilsvoraussetzungen (Senat, Urteil vom 16. Januar 2009 - V ZR 74/08, BGHZ 179, 230 Rn. 7-10). Die Frage, ob diese Fristen durch eine gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft gerichtete Klage gewahrt werden können, ist von den verfahrensrechtlichen Folgen einer Umstellung der Klage von dem Verband auf die übrigen Wohnungseigentümer zu trennen. Der Senat hat den Wechsel des Klagegegners nach Zustellung der Klageschrift an die Wohnungseigentümergemeinschaft prozessual als zulässigen Parteiwechsel gewertet, der entweder eine neue Zustellung an die übrigen Wohnungseigentümer (vgl. Senat, Urteil vom 5. März 2010 - V ZR 62/09, NJW 2010, 2132 Rn. 12) oder eine diese ersetzende prozessuale Erklärung in der mündlichen Verhandlung (vgl. Senat, Urteil vom 17. September 2010 - V ZR 5/10, NJW2010, 3376 Rn. 11) erforderlich macht. Dagegen hat er die materiell-rechtlichen Fristen wegen der in § 44 WEG enthaltenen gesetzlichen Wertung als gewahrt angesehen, sofern die in dieser Norm geregelten Voraussetzungen erfüllt sind (Senat, Urteil vom 6. November 2009 - V ZR 73/09, NJW 2010, 446 ff.; Urteil vom 5. März 2010 - V ZR 62/09, NJW 2010, 2132 f.; Urteil vom 17. September 2010 - V ZR 5/10, NJW 2010, 3376 f.; zust. Häublein, ZfIR 2010, 107 f.; abl. de lege lata Bergerhoff, NZM 2010, 32 ff.; abl. Abramenko, ZMR 2010, 161 ff., Rie-cke/v. Rechenberg, MDR 2011, 9, 12; Schmid, ZfIR 2010, 555 f.). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Die insoweit geäußerte Kritik, die sich das Berufungsgericht zu Eigen gemacht hat, stützt sich im Kern auf prozessuale Gesichtspunkte und beachtet den materiell-rechtlichen Charakter der Ausschlussfristen und die mit der Regelung verfolgten gesetzgeberischen Ziele nicht hinreichend.
Mit den Fristen zur Erhebung und Begründung der Klage nach § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG will der Gesetzgeber erreichen, dass die übrigen Wohnungseigentümer möglichst rasch darüber Klarheit erlangen, welcher Beschluss aus welchen Gründen angefochten wird (Senat, Urteil vom 6. November 2009 - V ZR 73/09, NJW 2010, 446 Rn. 16). Dieser Zweck wird auch durch eine gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft gerichtete Anfechtungsklage erreicht. Dass der Gesetzgeber insoweit einer sachlichen Klärung von Streitigkeiten Priorität vor übermäßigen formalen Anforderungen einräumen wollte, ergibt sich aus § 44 WEG. Zutreffend weist das Berufungsgericht darauf hin, dass diese Vorschrift eine Klage voraussetzt, die sich ihrem Rechtsschutzziel nach gegen die übrigen Wohnungseigentümer richtet. Die Norm ist daher auf eine gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft erhobene Klage nicht anwendbar; davon ist der Senat in den zitierten Entscheidungen auch ausgegangen. Er hat dieser Vorschrift gleichwohl eine für die Auslegung der Klage- und Begründungsfristen bedeutsame gesetzgeberische Wertung entnommen. Wird deren Zweck nämlich sogar durch eine Klage erreicht, in der nicht die eigentlichen Klagegegner, sondern nur das gemeinschaftliche Grundstück und der Verwalter bezeichnet sind, darf auch eine gegen den Verband gerichtete Klage materiell-rechtlich nicht an der falschen Wahl des Klagegegners scheitern. Diese Gleichstellung setzt allerdings voraus, dass entsprechend § 44 Abs. 1 Satz 1 WEG die Information der Wohnungseigentümer durch Zustellung an den Verwalter gewährleistet ist. Dass ein anderes Verständnis von der Klagefrist inhaltlich nicht nachvollziehbare Folgen hätte, zeigt sich besonders deutlich, wenn - wie hier - die Umstellung der Klage sogar noch vor Zustellung erfolgt und schutzwürdige Belange der übrigen Wohnungseigentümer damit von vorneherein nicht berührt werden können.
Schließlich wird die Monatsfrist durch dieses Verständnis nicht, wie das Berufungsgericht meint, überflüssig. Eine erst nach Ablauf der Monatsfrist erhobene Klage ist unabhängig davon, ob sie sich gegen die Wohnungseigentümer-gemeinschaft oder gegen die übrigen Wohnungseigentümer richtet, ohne weiteres als unbegründet zurückzuweisen.

bb) Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 WEG sind eingehalten worden. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Verwalter innerhalb der Klagefrist benannt worden, weil er im Rubrum der Klageschrift namentlich als Zustellungsvertreter aufgeführt worden ist. Die gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 WEG vorgeschriebene Benennung des Verwalters und des Ersatzzustellungsvertreters ist keine Zulässigkeitsvoraussetzung, sondern soll dem Gericht die Prüfung ermöglichen, an wen die Klageschrift zuzustellen ist (Klein in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 44 Rn. 8). Diesem Erfordernis genügte die Klageschrift schon deshalb, weil sich der gleichzeitig eingereichten Klagebegründung entnehmen ließ, dass es sich bei der als Zustellungsvertreter benannten Person um den Verwalter handelte.

BGH, Urteil vom 21. Januar 2011 - V ZR 140/10,Anfechtungsfrist, Wohnungseigentümergemeinschaft, die übrigen Wohnungseigentümer.BGH, Urteil vom 21. Januar 2011 - V ZR 140/10

AG Mönchengladbach-Rheydt, Entscheidung vom 24.06.2009 - 11 C 553/08 -
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 01.06.2010 - 16 S 86/09 -
 

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