BGH, Urteil vom 28. Januar 2011 - V ZR 145/10

ZPO § 51 Abs. 1
Macht der Verwalter Ansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft im eigenen
Namen geltend, kann das für eine gewillkürte Prozessstandschaft erforderliche
schutzwürdige Eigeninteresse nicht mehr aus der sich aus dem Wohnungseigentumsgesetz
ergebenden Rechts- und Pflichtenstellung des Verwalters
hergeleitet werden.

Der Kläger ist Verwalter der einer Wohnungseigentümergemeinschaft,
der Beklagte deren Mitglied. Im Jahr 2003 erwirkte der
Kläger gegen den Beklagten einen Mahnbescheid. Nach Widerspruch und Anspruchsbegründung
wurde über die Forderungen aus dem Mahnbescheid und
weitere Ansprüche vor dem Amtsgericht ein Verfahren nach den Regeln der
Freiwilligen Gerichtsbarkeit geführt (mit dem Kläger als Antragsteller und dem
Beklagten als Antragsgegner). Mit Schriftsatz vom 4. August 2008 hat der Kläger
seine Anträge erweitert. Insoweit hat das Amtsgericht das Verfahren abgetrennt
und als Rechtsstreit nach der Zivilprozessordnung fortgeführt. Gegenstände
der - später erweiterten und teilweise für erledigt erklärten - Klage sind
Hausgeldforderungen aus den Jahren 2007 und 2008 sowie eine Sonderumlage
für die Sanierung von Dachgauben. Allein um diese Streitgegenstände geht
es in dem vorliegenden Revisionsverfahren.Auf Antrag des Klägers hatte das Amtsgericht den Beklagten zunächst durch Versäumnisurteil zur Zahlung von 961,80 ?€ nebst Zinsen verurteilt und
festgestellt, dass der Rechtstreit in Höhe von 609,49 ?€ erledigt ist. Auf den Einspruch
des Beklagten hat es das Urteil aufgehoben und die Klage wegen fehlender
Prozessführungsbefugnis als unzulässig abgewiesen. Die dagegen eingelegte
Berufung, mit der der Kläger nur noch Zahlung von 591,80 ?€ (Sonderumlage)
und weiterer 172,27 ?€ (Hausgeld) verlangt und den Rechtstreit wegen
des überschießenden Betrages für erledigt erklärt hat, ist erfolglos geblieben.
Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die im Berufungsrechtszug
gestellten Anträge weiter. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung des
Rechtsmittels.

Die Prozessführungsbefugnis des Klägers hat das Berufungsgericht zu
Recht verneint.

a) Vor Anerkennung der Wohnungseigentümergemeinschaft als eines
(teil-)rechtsfähigen Rechtssubjekts (dazu grundlegend Senat, Beschluss vom
2. Juni 2005 - V ZB 32/05, BGHZ 163, 154, 158 ff.; nunmehr § 10 Abs. 6 WEG)
konnten dem Verband weder Rechte kraft Gesetzes zustehen noch Ansprüche
der Wohnungseigentümer auf diesen zur Rechtsausübung übertragen werden.
Daher bestand nicht nur im Interesse der Wohnungseigentümer, sondern vielfach
auch im Interesse des Schuldners ein erhebliches praktisches Bedürfnis,
Ansprüche der Wohnungseigentümer über das Rechtsinstitut der gewillkürten
Verfahrensstandschaft zu bündeln (vgl. Senat, Beschluss vom 4. März 2010
- V ZB 130/09, NJW-RR 2010, 807 mwN). Vor diesem Hintergrund wurde das
neben der hierfür notwendigen Ermächtigung erforderliche schutzwürdige
Eigeninteresse des Verwalters aus dessen Pflicht hergeleitet, die ihm obliegenden
Aufgaben ordnungsgemäß und reibungslos zu erfüllen (Senat, Beschluss
vom 21. April 1988 - V ZB 10/87, BGHZ 104, 197, 199; Urteil vom 22. Januar
2004 - V ZB 51/03, NJW 2004, 937, 938). b) Ob daran im Lichte der nunmehr gegebenen Parteifähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft
festzuhalten ist, wird nicht einheitlich beurteilt
(bejahend OLG München, NZM 2008, 653; OLG Hamm, NZM 2009, 90 f.; Heinemann
in Jennißen, WEG, 2. Aufl., § 27 Rn. 125; vgl. auch Spielbauer/Then,
WEG, § 27 Rn. 42; zumindest im Regelfall verneinend LG Karlsruhe, ZWE
2009, 410, 411; Klein in Bärmann, WEG, 11. Aufl., Anh. 2 § 10 Rn. 62 u. § 43
Rn. 149; Merle in Bärmann, aaO, § 27 Rn. 245; MünchKomm-BGB/Engelhardt,
BGB, 5. Aufl., § 27 WEG Rn. 33; Timme/Knop, WEG, § 27 Rn. 291; Wenzel,
NJW 2007, 1905, 1909; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., vor § 50 Rn. 49).
Der Senat verneint die Frage.

aa) Das für eine gewillkürte Prozessstandschaft erforderliche schutzwürdige
Eigeninteresse des Verwalters einer Wohnungseigentümergemeinschaft
kann nicht mehr aus der diesem durch das Wohnungseigentumsgesetz zugewiesenen
Rechts- und Pflichtenstellung hergeleitet werden. Infolge der nunmehr
bestehenden Rechts- und Parteifähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft
ist diese nunmehr ohne weiteres selbst in der Lage, Ansprüche
- zumal ohne Entstehen eines Mehrvertretungszuschlages nach Nr. 1008 des
Vergütungsverzeichnisses zum RVG - durchzusetzen, so dass das Bedürfnis
für ein Tätigwerden des Verwalters im eigenen Namen entfallen ist. Das gilt
umso mehr, als einer der tragenden Gründe, die zur Anerkennung der Wohnungseigentümergemeinschaft
als Rechtssubjekt geführt haben, gerade darin
bestand, die Verwaltung des Gemeinschaftseigentums im Rechtsverkehr zu
erleichtern (Klein in Bärmann, aaO, § 43 Rn. 149).

(1) Allerdings trifft es zu, dass der Verwalter (nach wie vor) gehalten ist,
für eine effektive Anspruchsdurchsetzung Sorge zu tragen (so Heinemann in
Jennißen, aaO, § 27 Rn. 125). Nur gilt es zu bedenken, dass die nunmehr
rechts- und parteifähige Wohnungseigentümergemeinschaft durch ihre Organe
handelt und sich vor diesem Hintergrund die Pflichtenstellung des Verwalters verschoben hat. Danach ist der Verwalter nicht (mehr) gehalten, eine effektive
Anspruchsdurchsetzung durch ein Handeln im eigenen Namen sicherzustellen.
Vielmehr ist er als Organ der durch ihn repräsentierten Gemeinschaft nunmehr
verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass der Verband seine Rechte selbst
durchsetzt; von ihm ist nur noch ein Handeln für den Verband gefordert (zutreffend
Merle in Bärmann, aaO, § 27 Rn. 245; Timme/Knop, aaO, § 27 Rn. 291;
vgl. auch Wenzel, NJW 2007, 1905, 1909). Folgerichtig ist im Gesetzgebungsverfahren
bewusst davon Abstand genommen worden, in § 48 WEG eine
Regelung aufzunehmen, die eine aus der Rechtsstellung des Verwalters nach
dem Wohnungseigentumsgesetz hergeleitete Prozessführungsbefugnis vorausgesetzt
hätte. Die zunächst insbesondere im Hinblick auf die Prozessstandschaft
des Verwalters in Hausgeldsachen in Absatz 2 Satz 1 zur Frage der
Beiladung vorgesehene Regelung hat der Gesetzgeber unter Hinweis auf die
(Teil-)Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft für hinfällig erachtet
(vgl. Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses BT-Drucks. 16/3843
S. 28 unter Bezugnahme auf BT-Drucks. 16/887 S. 75; dazu auch LG Karlsruhe,
Urteil vom 21. Juli 2009 - 11 S 86/09, juris Rn. 19 ff., insoweit in ZWE 2009,
410 f. nicht wiedergegeben).
(2) Entgegen der Auffassung der Revision folgt aus den Regelungen in
§ 27 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 3 WEG nichts anderes.

(a) Dass der Verwalter dem Verband gegenüber berechtigt und verpflichtet
ist, Beschlüsse der Wohnungseigentümer durchzuführen (§ 27 Abs. 1 Nr. 1
WEG), lässt keinen Schluss darauf zu, dass er dies auch im eigenen Namen
soll tun können. Vielmehr ist die Vorschrift im Lichte der nunmehr gegebenen
Rechts- und Parteifähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft dahin auszulegen,
dass der Verwalter zur Durchsetzung der Beschlüsse als deren Organ
tätig werden darf und muss. (b) Aus § 27 Abs. 2 Nr. 3 WEG kann schon deshalb nichts für die hier in
Rede stehende Zulässigkeit einer gewillkürten Prozessstandschaft zur Durchsetzung
von Rechten der Wohnungseigentümergemeinschaft gewonnen werden,
weil Regelungsgegenstand der Vorschrift nur Ansprüche der Wohnungseigentümer
sind. Davon abgesehen bringt die Vorschrift ?– ebenso wie die Ansprüche
der Gemeinschaft betreffende Regelung des § 27 Abs. 3 Nr. 7 WEG ?–
lediglich zum Ausdruck, dass der Verwalter nicht kraft Gesetzes Ansprüche gerichtlich
geltend machen kann, sondern es grundsätzlich Sache der Wohnungseigentümer
ist, darüber zu befinden, ob ein Prozess geführt werden soll oder
nicht (vgl. nur Merle in Bärmann, aaO, § 27 Rn. 242). Zur Frage der Prozessstandschaft
verhält sich auch diese Vorschrift nicht. Auch insoweit verbleibt
es daher bei dem Grundsatz, dass Ansprüche der rechtsfähigen Gemeinschaft
von dieser selbst durchzusetzen sind.
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(3) Soweit die Revision geltend macht, bei Zugrundelegung der hier verfolgten
Rechtsauffassung werde das Verfahren jedenfalls bei größeren Wohnungseigentümergemeinschaften
?„unnötig verkompliziert?“, weil in das Urteilsrubrum
sämtliche Wohnungseigentümer aufgenommen werden müssten, trifft
schon die Prämisse nicht zu. Klagt der Verband, muss nach § 10 Abs. 6 Satz 4
WEG i.V.m. Absatz 5 der Regelung lediglich die Bezeichnung ?„Wohnungseigentümergemeinschaft
?“ gefolgt von einer das Grundstück näher bestimmenden
postalischen oder katastermäßige Bezeichnung angegeben werden (vgl. auch
BT-Drucks. 16/887 S. 62; Klein in Bärmann, aaO, § 10 Rn. 214). Die Angabe
sämtlicher Wohnungseigentümer ist nach § 46 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 44 Abs. 1
Satz 2 WEG bei der Beschlussmängelklage erforderlich, die sich gegen die (übrigen)
Wohnungseigentümer richtet, nicht aber, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft
eigene oder ihr zur Ausübung zustehende Rechte im eigenen
Namen geltend macht.

bb) Kann nach allem eine Prozessführungsbefugnis des Verwalters nicht
mehr aus dessen Rechts- und Pflichtenstellung nach dem Wohnungseigentumsgesetz hergeleitet werden, kann die Befugnis, Rechte der Wohnungseigentümergemeinschaft
in eigenem Namen geltend zu machen, nur noch aus anderen
Gründen in Betracht gezogen werden. So wird ein eigenes schutzwürdiges
Interessen des Verwalters an der Durchsetzung von Rechten des Verbandes
etwa dann gegeben sein, wenn sich der Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft
gegenüber schadensersatzpflichtig gemacht hat und ihn die Gemeinschaft
vor diesem Hintergrund zur Schadensminimierung ermächtigt, auf
eigene Kosten einen (zweifelhaften) Anspruch der Gemeinschaft gegen Dritte
durchzusetzen. Bei der hier verfolgten Durchsetzung von Hausgeldforderungen
und einer Sonderumlage sind jedoch keine Umstände ersichtlich, die ein
schutzwürdiges Eigeninteresse des Klägers begründen könnten.


cc) Der Verneinung der Prozessstandschaft steht schließlich nicht der Senatsbeschluss
vom 4. März 2010 (V ZB 130/09, NJW 2010, 807) entgegen.
Dort hatte der Senat in einem Fall, in dem der Verwalter Ansprüche der Wohnungseigentümer
im eigenen Namen aufgrund einer ihm vor Anerkennung der
Wohnungseigentümergemeinschaft als eines (teil-)rechtsfähigen Verbandes
erteilten Ermächtigung ein WEG-Verfahren angestrengt hatte, aus übergangsrechtlichen
Erwägungen die zunächst gegebene Verfahrensstandschaft des
Verwalters als fortbestehend behandelt. Damit ist der vorliegende Fall jedoch
schon deshalb nicht vergleichbar, weil die hier in Rede stehenden Ansprüche
erst erhebliche Zeit nach der Mitte des Jahres 2005 erfolgten Anerkennung der
Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft (vgl. Senat, Beschluss
vom 2. Juni 2005 - V ZB 32/05, BGHZ 163, 154, 158 ff.) entstanden und auch
erst lange nach dieser Anerkennung gerichtlich geltend gemacht worden sind.
 

 BGH, Urteil vom 28. Januar 2011 - V ZR 145/10BGH, Urteil vom 28. Januar 2011 - V ZR 145/10

AG Bad Saulgau, Entscheidung vom 12.06.2009 - 2 C 8/08 -
LG Stuttgart, Entscheidung vom 10.06.2010 - 2 S 30/09 -

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